Krisenkommunikation aus der Mottenkiste

In einer Krisensituation zu kommunizieren ist keine einfache Aufgabe. Abstreiten, beschönigen und mauern ist schlecht, sagt die Theorie. Die Praxis sieht aber anders aus. Wieso?

Mein Kollege Marc Lustenberger unterrichtet an der ZHAW ein Blockseminar zu PR und Krisenkommunikation. Dafür beneide ich ihn. Nicht in erster Linie um der Stelle willen oder des Lohns oder Ansehens. Nein, sondern um den Spass, den er beim Vorbereiten haben dürfte. Denn wer Krisenkommunikation unterrichtet, dem gehen die Beispiele aus der Praxis nicht aus. Der Vorrat an Beispielen schlechter Krisenkommunikation wächst und wächst und wächst...

Das jüngste Beispiel ist die Kommunikationsstrategie von FDP-Nationalrätin Christa Markwalder, die von der «NZZ» überführt wurde, Briefträgerin eines autokratischen Regimes zu sein. Was dann kam, war genau das Gegenteil von dem, was den Studenten in Kommunikationslehrgängen eintrichtert wird. Markwalder griff in die Mottenkiste und machte auf Old-School-Krisenkommunikation: Erst einmal eine Medienschelte («Die Medien sollten sich lieber um die relevanten Geschäfte kümmern»), dann wurde eifrig negiert («Ich habe nicht gewusst, wie sehr die Auftraggeber Einfluss nahmen»), dann folgte das Kleinreden («Ich kann nicht alles überprüfen»), die Verantwortung abschieben («Mir wurde versichert, dass er ein sauberer Typ sei.») und schliesslich noch die Ausflüchte («Mir ging es um die Verbesserung der Beziehungen zwischen der Schweiz und Kasachstan»).

Von Einsicht keine Spur

Von Selbstkritik oder Einsicht wenig bis keine Spur. Dass die gestandene Nationalrätin, Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission und designierte Nationalratspräsidentin – ja, die zukünftig «höchste Schweizerin» – auf naiv und Opfer einer fiesen PR-Agentur macht, nehme ich ihr nicht ab. Diese Argumentation wird kaum ausreichen, um ihre Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Dabei ist Markwalders Verhalten einfach menschlich. Wir reagieren auf Angriffe nun mal mit Abwehr und Gegenangriff. Kritik empfinden wir im ersten Moment stets als unfair, übertrieben und ungerechtfertigt. Wir neigen dazu die Kritikpunkte zu negieren, herabzuspielen oder zu beschönigen. Doch in einer kommunikativen Krise schaden uns die menschlichen Reflexe mehr als sie helfen.

Dann gilt es diese Verhaltensmuster zu durchbrechen und statt Selbstschutz zu betreiben, Selbstkritik zu üben. Statt Salamischeiben preiszugeben, sollten sämtliche Fakten auf den Tisch gelegt werden. Das ist nicht einfach. Schlechte Nachrichten zu kommunizieren schmerzt, zumal der mediale Aufschrei damit nicht verhindert werden kann. Vielleicht wird er sogar noch lauter. Dafür lässt sich mit einer durchdachten und transparenten Krisenkommunikation eine über Wochen andauernde, negative Medienkampagne abwenden. Denn Journalisten sind unerbittlich auf der Suche nach brisanten Geschichten und beissen hartnäckig zu, wenn ihnen eine Quelle erste Hinweise liefert. Es folgt eine Story nach der anderen.

Schwarze Krawatte als Teil des Plans

Wie man es besser macht,  das zeigen die guten Beispiele in Sachen Krisenkommunikation. Etwa dasjenige von Lufthansa beim Germanwings-Absturz vom vergangenen März. Auf allen verfügbaren eigenen Kanälen (Website, Twitter, Facebook etc.) und in den Medien zeigten Lufthansa und Germanwings sehr schnell nach Bekanntwerden der Katastrophe eine hohe Präsenz. Medien und Öffentlichkeit wurden von den Verantwortlichen im Takt informiert. Auch wurde versucht, sämtliche Fragen zu beantworten. Geholfen haben dabei laut «Handelszeitung» ein 170-seitiges Krisenhandbuch mit präzisen Handlungsanweisungen, der Einsatz einer Krisenagentur und klar festgelegte interne Zuständigkeiten. Selbst die schwarze Krawatte im Büroschrank des Lufthansa-Chefs war Teil dieses Plans.